HÜTTENTAG 2024: Wasserstoff und KI im Fokus der Stahlindustrie

28 november 2024

Die Transformation der Stahlindustrie stand im Mittelpunkt des diesjährigen HÜTTENTAGs in Essen. Rund 300 Branchenexperten diskutierten über Energiesicherheit, grüne Transformation und die Potenziale der Künstlichen Intelligenz. Die Veranstaltung unterstrich die enormen Herausforderungen, vor denen die Branche steht.
Der HÜTTENTAG 2024 im Congress Center Ost der Messe Essen bot am 19. November eine wichtige Plattform für den Austausch über die Zukunft der Stahlindustrie. Die Hauptgeschäftsführerin der Wirtschaftsvereinigung Stahl, Kerstin Maria Rippel, eröffnete die Veranstaltung mit einem eindringlichen Appell zur Bedeutung des Stahls für den Wirtschaftsstandort Deutschland und die EU. “Der Stahl trägt zur ökonomischen und gesellschaftlichen Stabilität und zur strategischen Autonomie bei”, betonte sie in ihrer Eröffnungsrede.

Dramatischer Produktionsrückgang macht Handlungsbedarf deutlich

Die aktuellen Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Die deutsche Rohstahlproduktion ist von 42,4 Millionen Tonnen im Jahr 2018 auf 35,4 Millionen Tonnen im Jahr 2023 gesunken. Dennoch bleibt die Branche mit rund 2.500 verschiedenen Stahlsorten ein unverzichtbarer Innovationsmotor. Rippel machte deutlich, dass die Industrie sich bereits in der Vergangenheit erfolgreich neu erfunden habe, nun aber dringend politische Unterstützung benötige – insbesondere bei wettbewerbsfähigen Strompreisen und einem effektiven Außenhandelsschutz.

Wasserstoff als Schlüssel zur Dekarbonisierung

Die Transformation zu einer klimafreundlichen Stahlproduktion steht ganz oben auf der Agenda. Mit einem Anteil von etwa einem Drittel an den industriellen CO2-Emissionen kommt der Branche dabei eine Schlüsselrolle zu. Wasserstoff wird als entscheidender Energieträger der Zukunft gesehen, wobei die Wirtschaftsvereinigung Stahl prognostiziert, dass der Großteil der bis 2030 geplanten deutschen Wasserstoffkapazitäten für die Stahlproduktion benötigt wird.

Allerdings warnte Rippel vor einem stockenden Wasserstoffhochlauf: Nur für drei Prozent der geplanten Elektrolyseurprojekte lägen finale Investitionsentscheidungen vor. Als Übergangslösung könne der Umstieg von Kokshochöfen auf Direktreduktion mit Erdgas bereits etwa 60 Prozent der CO2-Emissionen einsparen.

Neue Wege in der EU-Handelspolitik gefordert

Ein weiterer Schwerpunkt der Diskussionen war die internationale Wettbewerbssituation. Der wachsende Importdruck auf den EU-Markt erfordere neue handelspolitische Ansätze. Als Reaktion darauf soll unter anderem der neue internationale Low Emission Steel Standard (LESS) etabliert werden, für den ein eigenständiger Verein in Brüssel zuständig sein wird.

Technologische Innovationen im Fokus

Till Schreiter, Vorstandsvorsitzender des VDMA Metallurgy und CEO der ABP Induction Systems GmbH, betonte in seiner Keynote die Bedeutung eines freien, globalen Marktes für die exportorientierte Branche. Die grüne Transformation sieht er als große Chance, warnt aber vor den anhaltend hohen Energiepreisen in Deutschland. Besonders kritisch bewertet er den “Kampf der Grundstoffindustrien um Wasserstoff” und fordert eine ehrliche Debatte darüber, welche Industrien in Deutschland eine grüne Zukunft haben.

Innovative Lösungen aus der Praxis

Konkrete Anwendungsbeispiele lieferte unter anderem Jens te Kaat von Kueppers Solutions, der einen im 3D-Druck hergestellten Wärmetauscher für Industrieofenbrenner vorstellte. Diese Innovation ermöglicht nicht nur einen verbesserten Wirkungsgrad, sondern auch den flexiblen Einsatz verschiedener Brenngase, einschließlich Wasserstoff.

Plädoyer für Technologieoffenheit

Dr. Thomas Bünger, CEO von ArcelorMittal Flachstahl Deutschland, plädierte für einen technologieoffenen Ansatz bei der Dekarbonisierung. Er betonte, dass auch die klassische Hochofenroute dekarbonisiert werden könne, ohne zwangsläufig bestehende Anlagen abreißen zu müssen. Kritisch sieht er die Tabuisierung bestimmter Technologien in Deutschland, wie beispielsweise CCSU-Prozesse.

Lebhafte Podiumsdiskussion und erweitertes Programm

In der anschließenden Podiumsdiskussion wurde besonders die Rolle der Politik thematisiert. Mit Blick auf die Bundestagswahl 2025 forderte Rippel mehr Pragmatismus in der Umsetzung industriepolitischer Maßnahmen. Die Diskutanten waren sich einig, dass unternehmerischer Mut gefragt sei, wobei die damit verbundenen Risiken nicht unterschätzt werden dürften.

Der HÜTTENTAG 2024 wurde durch ein umfangreiches Fachvortragsprogramm mit 27 Vorträgen in drei parallel organisierten Zügen sowie eine Fachexpo mit 26 Ausstellern und Sponsoren abgerundet. Die Veranstaltung unterstrich einmal mehr ihre Bedeutung als zentrale Plattform für den Austausch über die Zukunft der Stahlindustrie.

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